Es war, um das Fazit dieses ganz besonderen Opernabends des Presse Club Hannover am 10. Juni gleich vorwegzunehmen, faszinierend, spannend und überaus lehr- und erkenntnisreich. Und das, ohne einen einzigen musikalischen Ton im riesigen Komplex des 1815 auf hölzernen Pfählen errichteten Opernhauses vernommen zu haben. Stattdessen durften wir zwei Stunden die Oper von unten, der Mitte und von oben kennenlernen.
Auf Einladung und unter Führung von Dr. Michael Klügl, seit 2006/07 erfolgreicher Opern-Intendant und Geschäftsführer der Niedersächsischen Staatsoper Hannover, erhielten die Teilnehmer einen vielschichtigen Einblick jenseits des Zuschauerraums in die vielfältige Welt eines großen Opernhauses mit rund 1.000 Mitarbeitern – von der künstlerischen Leitung, der Dramaturgie, den Ensembles Oper, Junge Oper und Ballett, dem Chor, den 118 Mitgliedern des Niedersächsischen Staatsorchesters Hannover, der Technik bis zu den Werkstätten u.a. mit Malsaal, Tapezierwerkstatt, Schlosserei, Tischlerei, Kostümleitung mit Herren- und Damenwerkstätten, Kostümfärberei, Kostümfundus, Ankleidepersonal, Schuhmacherei, Maske und Rüstwerkstatt.
Der Rundgang begann, der hohen Temperatur um 19 Uhr geschuldet, in den kühlen unteren Räumen des Opernhauses. Gewaltige Kellersäle taten sich in dieser Unterwelt auf. Von hier aus werden auf riesigen Schienenkonstruktionen computergesteuert die Kulissen verschoben, die dann zu den jeweiligen Aufführungen per Seilaufzug auf die Bühne gehoben werden. Hier unten wurde jedem Teilnehmer schnell klar, welch enormer technischer Aufwand notwendig ist, um eine gelungene Oper auf die Bühne zu bringen. Ein gewaltiges Räderwerk muss hier während der Spielzeit Abend für Abend bewegt werden. Von der Entscheidung, welche Oper im Spielplan neu inszeniert wird, sind bis zur Bühnenreife bis zu zwei Jahre Vorbereitung notwendig.
Das erklärt auch Dr. Klügls Aussage, dass in seinem Opernhaus jeden Tag in zwei Schichten von 7 Uhr bis 23 Uhr gearbeitet werde. Hilfreich, so der für alle unsere Fragen sehr offene Intendant, wäre eine Drehbühne im Opernhaus, die den technischen Aufwand für den Kulissenaufbau erheblich erleichtern würde. Aber die Investition dafür ist aus dem normalen Etat des Opernhauses nicht zu erbringen. In diesem Zusammenhang war auch die Antwort Dr. Klügls auf die Frage nach der Höhe der staatlichen Subventionen interessant: Die öffentliche Hand bezuschusst die Staatsoper jährlich mit rund 50 Mio. Euro. Ohne diesen Zuschuss müsste eine Karte für eine Vorstellung im Schnitt rund 250 Euro kosten, um den Opernbetrieb auf seinem derzeitigen hohen Niveau halten zu können.
Allerdings wies Dr. Klügl zugleich auch darauf hin, dass die Oper einen wichtigen Beitrag zur künstlerischen Meinungsbildung und für den Kulturbetrieb leistet und damit auch einen öffentlichen Auftrag erfüllt. In diesem Zusammenhang betonte er immer wieder die für ihn so wichtige Einbindung der jüngeren Generation in die Oper. Das Ergebnis dieser Bemühungen: Der Zuschaueranteil der Kinder und Jugendlichen in der Oper liegt bei 25 Prozent, nicht zuletzt dank der Einrichtung der Jungen Oper.
Der Abend mit dem Blick hinter die Kulissen des markantesten Gebäudes von Hannover und eines der schönsten Opernhäuser Deutschlands klang mit guten Gesprächen bei erfrischenden Getränken im Maschnersaal aus – und mit dem Dank des Presse Club Hannover an den Intendanten Dr. Klügl dafür, dass er uns einen langen und hoch interessanten Abend bereitet hat.
Bericht: Gernot Müller-Serten