Während die einen mit ihrer Schneiderschere Bekleidung möglichst ressourcenschonend und nachhaltig produzieren, wirkt bei den anderen die Schere im Kopf: Zwischen unseren Einstellungen und unserem Verhalten als Konsumenten geht „die Schere weit auseinander“.
Die Modeschöpferin Prof. Martina Glomb hat es sich als Leiterin des Studiengangs Modedesign an der Hochschule Hannover zur Aufgabe gemacht, diesen Spalt zu schließen. Sie engagiert sich für Nachhaltigkeit im Handlungsfeld „Bekleidung“ – und wendet sich mit ihrem Appell für „Slow Fashion“ sowohl an die angehenden Modedesigner als auch an die Käuferinnen.
Beim Clubabend stellte sie den ganzheitlichen, nachhaltigen und sinnlichen Ansatz des Studiengangs vor, der bei der Auswahl von Stoffen beginnt, die Entwurfsphase am PC mit Design-Software meint (um Anfahrten zu persönlichen Anproben zu vermeiden) und ganz entschieden die Verlängerung der Nutzungsdauer und Wiederverwertbarkeit von Kleidung in den Blick nimmt.
Dazu diente u.a. das Forschungsprojekt „Slow Fashion“, mit dem gestalterische, technische und ökonomische Innovationen für massenmarkttaugliche nachhaltige Angebote im Bedarfsfeld Bekleidung gefunden werden sollten. Bei diesem Projekt kooperierte die Hochschule mit der Polizei Niedersachsen bei der Herstellung ihrer Berufskleidung.
Modepreis Hannover
Die Erfinderin des Modepreises Hannover berichtet über dessen Entstehung: „Unsere Absolventen haben schon immer am Ende des Studiums ihre Mode präsentiert. 2008 habe ich eine Show vor 38 zahlenden Gästen gesehen. Da habe ich überlegt, wie wir das Event nach außen tragen können. Es gab kein Geld, ich kannte niemanden, ich musste also etwas erfinden. So entstand der Modepreis.“ Dann haben sich schnell Sponsoren und internationale Teilnehmer von Partneruniversitäten beteiligt. Das Konzept hat sofort ein sehr großes Publikum gefunden.
Aktuell laufen die Vorbereitungen für den Modepreis Hannover, der im Juli 2020 mit einem neuen Format Mode in der Expo Plaza 2 präsentieren wird. Für Martina Glomb ist die Modenschau auch ein wichtiges Instrument, um Designer in der Region Hannover bekannter zu machen und ihnen Berufsfelder zu eröffnen. Initiiert wurde die Ausstellung „use-less“ vom Hafenmuseum Speicher XI, der Hochschule Hannover, der Kampagne für saubere Kleidung, Regionalgruppe Bremen, und dem Bremer Informationszentrum für Menschenrechte und Entwicklung. Konzipiert und gestaltet wird die Ausstellung vom Studiengang Modedesign an der Hochschule Hannover unter der Leitung von Prof. Martina Glomb. Schirmherrin ist Vivienne Westwood.
Öffentlicher Diskurs
Mit ihren Initiativen greift Glomb bewusst auch in die öffentlichen Diskurse ein. Die interaktive Wanderausstellung „use-less - Slow Fashion gegen Verschwendung und hässliche Kleidung“ war in diesem Jahr in Bremen zu sehen, es folgen weitere Ausstellungen in der Klima Arena Sinsheim (2020) und auch in Hannover (2021).
Beim Hannover Marathon 2020 wird sie mit Studierenden gebrauchte T-Shirts der Läufer einsammeln. „Wir wollen beim Marathon 2021 zeigen, wie sich diese Sport-Shirts wieder verwenden lassen“, kündigte Prof. Glomb an.
Als ehemalige Chefdesignerin bei Vivienne Westwood hat sie nicht nur Mode kreiert, sondern ist auch Türöffnerin für ihre Studierenden in die internationale (Mode-) Welt. 2015 haben Modedesign-Studenten aus Hannover bei der Expo in Mailand das Land Niedersachsen mit der Modenschau „Nach Neuem Trachten“ vertreten – mit Stücken inspiriert von alten Schaumburger Trachten.
Darüber hat Michael B. Berger am 15. Mai 2015 in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung berichtet:
Niedersachsen will Mailänder Modeszene verzaubern
In Sachen Weltausstellung haben die Niedersachsen ja einige Erfahrung: Und so präsentieren am Freitag und Sonnabend mehr als 80 Kulturschaffende ihr Bundesland auf der Mailänder Expo. Zum Auftakt zeigen Modedesign-Studenten der Hochschule Hannover ihr Können. […]
Unkonventioneller war da schon, was Design-Studenten der Hochschule Hannover in ihrer Modenschau „Nach Neuem Trachten“ präsentierten. Die Gruppe aus Hannover reiste mit einem Team von Models, Friseuren und Fotografen nach Mailand. „Es sind tolle Erfahrungen, auf der Expo mit so einem großen Projekt aufzutreten“, sagte Modedesign-Professorin Martina Glomb. Die Studenten ließen sich für ihre Kollektion von alten Schaumburger Trachten inspirieren. Sie wurden bis vor wenigen Jahren von älteren Frauen in der Region südwestlich von Hannover getragen. Inzwischen wird der Brauch fast nur noch von Trachtenvereinen gepflegt. Die Schau wurde gemeinsam mit der Schaumburger Landschaft umgesetzt.
Deren Geschäftsführer Sigmund Graf Adelmann betonte, dass die Tracht nicht provinziell sei. „Sie wurde von der Mode aus ganz Europa beeinflusst.“
Bericht: Katharina Kümpel
Fotos: Torsten Hamacher