in medias res: Print-Online-Journalismus

Podium

Um Trends und Entwicklungen im Print- und Online-Journalismus ging es bei der zweiten Veranstaltung unserer Reihe "in medias res" am 10. März 2015. Die Podiumsgäste diskutierten lebhaft untereinander und mit dem Publikum.


„Wir bringen die Zeitung auch auf den Spiegel im Badezimmer“

Beim morgendlichen Rasieren Nachrichten aus der Finanz- und Wirtschaftswelt online lesen? Für den Chefredakteur von Handelsblatt online, Oliver Stock, ist das ebenso vorstellbar wie ein 3D-Journalismus. Denn: „Wir verstehen uns als Gemeinschaft für die Verbreitung des wirtschaftlichen Sachverstandes und gehen dahin, wo unsere Leser sind. Wir bespielen dafür alle digitalen Oberflächen.“

Für den Chefredakteur der Neuen Osnabrücker Zeitung, Ralf Geisenhanslüke, ist klar: „Nur mit bezahltem digitalen Journalismus werden wir den Journalismus, wie wir ihn heute kennen, weiter betreiben können. Die iPhone-NOZ hat längst mehr Zugriffe als unsere Webseite. Also richten wir uns daran aus.“

Vorrang für Digital gilt auch für den stellvertretenden Chefredakteur der Bild Zeitung, Bela Anda, und den stellvertretenden Chefredakteur der Neuen Presse, Markus Hauke. „Natürlich haben wir die zentralen Lokalnachrichten zeitnah online. Aber wir nutzen Print, um die Themen zu vertiefen und von unterschiedlichen Seiten zu betrachten“, sagte Hauke.

Ob Print Zukunft hat und welche konkret, ließen sie ebenso wie der Geschäftsführer von dpa-infocom, Meinolf Ellers, offen. Klar war für die Medienschaffenden dagegen, dass es ein Zurück in die alte Zeit des Tageszeitungsgeschäfts nicht gibt (so etwa Geisenhanslüke). „Heute ist auch Geschwindigkeit ein Qualitätskriterium.“

Eine Zukunft haben für sie aber der Qualitätsjournalismus und die Markenkerne ihrer Medienhäuser. „Uns bewegen eigentlich zwei Fragen: Wie finanzieren wir Qualitätsjournalismus dauerhaft? Und wie schaffen wir täglich neu Wert für unsere Leser und Abonnenten“, sagte Stock. Zwar sei klar, dass es einen gewissen Bereich kostenfreier Nachrichten auch in Zukunft geben werde. Aber für „spezialisierte Nachrichten und Hintergründe“ werde es künftig Bezahlschranken geben (müssen). Anda berichtete von den Entscheidungen der Bild-Zeitung, Bezahlschranken für Premium-Inhalte und Push-Apps für iPhone-Bild-Leser einzuführen.


Neue Verlagsmodelle
Ellers sieht denn auch das zentrale Problem in den veralteten Verlagsmodellen, die nur auf das Anzeigengeschäft und den Verkauf von Printzeitungen gründeten. „Heute sind überzeugende Bezahlmodelle erforderlich, bei denen die Leser sagen: Ja, ich bezahle das Abo, weil mir die Nachrichten das wert sind.“ Eine Option sieht er in der Diversifizierung. „Verlage werden künftig in andere Bereiche gehen und z.B. noch stärker als bisher als Veranstalter oder Reiseanbieter auftreten und sich nur noch teilweise aus dem Journalismus finanzieren.“

Dass die Zeit drängt, bestätigte Geisenhanslüke in seiner Antwort auf die Frage eines Journalismus-Studenten. „Ich nutze täglich auf Facebook viele Zeitungen, weil ich mich umfassend informieren will. Wäre es nicht denkbar, dass sich die Verlage zusammentun und gemeinsam ein Nachrichtenportal betreiben, wie es das schon mit netflix für Videos gibt? Ich würde dafür auch Geld bezahlen“, hat der Student gefragt. Es gebe bereits Gespräche zwischen Verlagen, so Geisenhanslüke. Allerdings gehe es vielen noch sehr gut, und sie würden sich daher nicht so schnell bewegen. Übereinstimmender Tenor der Diskutanten in diesem Punkt: Ja, grundsätzlich seien gemeinsame Nachrichtenportale denkbar. Die Marke des jeweiligen Mediums dürfe dabei aber nicht verloren gehen.


Weiterführende Informationen,
auf die die Podiumsgäste aufmerksam gemacht haben:

DLD: Burdas Absage an das Verlegermodell im Digitalen
Flipboard – Social-News-Magazin
BuzzFeed
Business Insider UK
dpa-Web: Multimediale Inhalte für Websites
Der Tagesspiegel
Immersive Journalism: 3-D-Technik zum Weinen
3D-Experiment der Sächsischen Zeitung
Next-Generation-Studie des Rheingold-Instituts
Netflix
Journalismus & Recherche
Data Mining Cup

Webseiten der Podiumsgäste:
Bild
dpa-infocom
Handelsblatt
Neue Osnabrücker Zeitung
Neue Presse

Bericht und Fotos: Katharina Kümpel