Der Presse Club Hannover hat am 4. April 2023 einen nicht alltäglichen Gebäudekomplex in Hannover besucht – einen Ort, den bestimmte Menschen sicher nicht freiwillig betreten würden. Bedrohlich wirkender Stacheldraht und hohe Mauern ließen erahnen, was sich dahinter verbirgt: die JVA Hannover, das größte Gefängnis in Niedersachsen.
Die Haftanstalt wurde 1963 am heutigen Standort auf zehn Hektar Fläche eröffnet. Die zehn Hafthäuser sind mit rund 600 Gefangenen belegt. Dies ist nichts gegen die Zustände, die in den Jahren bis 2000 dort herrschten. Damals waren es bis zu 2000 Gefangene, die dort einsaßen. Erst der Neubau weiterer Haftanstalten brachte Entlastung.
Auf Initiative von Dr. Georges Schwanenberg bekamen Besucher des Presseclubs die Möglichkeit, in das gut bewachte Innere der Justizvollzugsanstalt an der Schulenburger Landstraße zu gelangen.
Zunächst spürten die Teilnehmer, was es bedeutet, in ein scharf bewachtes Objekt zu gelangen, aus dem es kein unerlaubtes Entfliehen geben soll. Gemeinsam wurde eine Schleuse aus Gitterzaun betreten, anschließend mussten die Besucher ihre Smartphones und Personalausweise abgeben. Denn: Fotos im Gebäude und dem Inneren der JVA sind verboten. Eine weitere Schleuse folgte.
Der Öffentlichkeitssprecher der Justizeinrichtung berichtete im Konferenzraum über die JVA Hannover und die Organisation der Haftanstalten in Niedersachsen. Es gibt Vollzugsanstalten für Männer und Einrichtungen wie die JVA Vechta für Frauen. 661 Haftplätze ausschließlich für männliche jugendliche und heranwachsende Straftäter im Alter von 14 bis 24 Jahren zählt die Jugendanstalt Hameln.
Die JVA Hannover weist mehrere Besonderheiten auf. Zu ihr gehört die Einrichtung am Flughafen Langenhagen für Abschiebehäftlinge. Es sind meist junge Männer, die dort einsitzen. Mitarbeiter berichten von extremer Respektlosigkeit gegen Vollzugsbeamte. Die JVA ist zudem eine der größten Untersuchungshaftabteilungen des Landes. Und die JVA ist für ganz Niedersachsen eine Art Drehscheibe für Häftlinge. Sie fungiert als Einweisungsabteilung auf die anderen Justizvollzugsanstalten im Land. Jährlich werden circa 13.000 Personen von Hannover aus auf Standorte im Land verteilt.
Der JVA Hannover ist auch das Prognosezentrum für gefährliche Straftäter angegliedert. In der Einrichtung werden Personen, die wegen Tötungsdelikten, Gewalt- oder Sexualstraftaten verurteilt worden sind, durch ein Team von speziell ausgebildeten Psychologen begutachtet. Dann erfolgt die Überstellung in die für sie zuständigen Haftanstalten in Niedersachsen.
Mauern können Drogenkonsum unter Häftlingen nicht verhindern
Ein besonderes Thema ist in der JVA, wie in anderen Gefängnissen auch, der Drogenkonsum. Ecstasy, Speed und Crystal Meth sind angesagte Suchtmittel. Was wenig wundert: An einem Ort, an dem auch Drogendealer und Konsumenten zusammengesperrt sind, stellt das gesellschaftlich akute Drogenproblem mehr als nur eine Herausforderung für das Justizpersonal dar. Doch wie gelangen diese chemischen Substanzen, die zu den Amphetaminen zählen, in das schwer bewachte Gefängnis? Drogenkuriere werfen Pakete über Zäune und Mauern, heißt es. Anderenorts wird sogar der Einsatz von Drohnen beschrieben. Teilweise werden die Lieferungen abgefangen. Drogenfunde soll es bis in den Ein-Kilo-Bereich geben.
Zur Geschichte: das Königliche Zellengefängnis Hannover
Das zentrale Gefängnis in Hannover war bis 1963 das Gerichtsgefängnis hinter dem Hauptbahnhof im Bereich Raschplatz/Weiße-Kreuz-Platz. Baubeginn war 1865 noch als Königliches Zellengefängnis. Erbaut wurde es im Norddeutschen Rundbogenstil. Nach Erweiterungen bot es Platz für 800 Häftlinge. Bekannte Gefangene: Der Serienmörder Fritz Haarmann, der im Gefängnishof 1925 hingerichtet wurde. In der NS-Zeit war der KPD-Vorsitzende Ernst Thälmann in Hannover bis 1943 inhaftiert. 1944 wurde er im KZ Buchenwald erschossen.
Bericht: Holger Bahl
Fotos: JVA Hannover, Screenshot von Wikipedia, abgerufen am 11.04.2023