Detailgenaue Sachinformation ist der Schlüssel für gelingende Krisenkommunikation. Henrik Homann, bis vor Kurzem im Group Executive Committee der TUI für Strategie und Airlines verantwortlich, hat beim Clubabend mit seinem Vortrag „Deutscher Flugmarkt im Chaos: Wie die Pleite von airberlin den deutschen Flugmarkt in Turbulenzen stürzte“ im besten Sinne genau das getan: Eloquent hat er den Clubmitgliedern die Hintergründe des Wirtschaftskrimis um die Insolvenz von airberlin dargestellt und vermittelt.
Das Chaos war vorprogrammiert – wenngleich von den Akteuren sicher so nicht gewollt. Im Sommer 2017 wurden im Interessengeflecht der Aktionäre von airberlin, der betroffenen Flug- und Reisegesellschaften, der Bundesregierung mit Blick auf den Wahlkampf, der Holdinggesellschaft IAG und den Vorgaben der International Air Transport Association (IATA) die Weichen für eine Neuordnung des deutschen Flugmarktes und den Flugplan 2018 gelegt, die juristisch nicht tragfähig waren.
Die (kartell-) rechtlichen Einwendungen gegen die Vereinbarungen waren erfolgreich. Das Ergebnis war, dass z.B. Eurowings bei der IATA-Flugplankonferenz für den Sommer 2018 einen Flugplan beantragt und erhalten hatte, den die Gesellschaft nach Gerichtsurteilen zugunsten von Klägern wie Niki Lauda nicht mehr fliegen konnte. Plötzlich fehlten dem Unternehmen Slots (Start- und Landegenehmigungen).
Im gleichen Zeitraum von Winter 2017 bis Frühjahr 2018 mussten die 139 Flugzeuge von airberlin umregistriert und geprüft werden, bevor sie von den neuen Eigentümer-Gesellschaften in Betrieb genommen werden konnten. Und schließlich kam noch ein Fluglotsenstreik in Frankreich dazu, in dessen Folge sich Flugzeiten und Einsatzzeiten von Crews verlängerten – mit der Folge, dass mehr Personal eingesetzt werden musste, um die Arbeitszeiten einzuhalten.
Die Pointe des Wirtschaftskrimis: Während Ryanair mit 35 und easyjet mit 15 Flugzeugen 2016 noch keine große Rolle auf dem deutschen Flugmarkt spielten, zählen beide im Herbst 2018 zu den Gewinnern. Insbesondere Ryanair, die derzeit 183 Boeings 737-800 bestellt und eine Option auf weitere 100 Boeings 737 MAX 200 hat, wird mit künftig rund 500 Flugzeugen (Lufthansa: 733 aktuell) ein starker Mitbewerber in Deutschland sein.
Homann stellte diese Ereignisse auch in den Kontext, dass in Europa – anders als in den USA – der Flugmarkt noch nicht konsolidiert ist. Angesprochen auf die Rolle des Flughafens Hannover-Langenhagen sagte er: „Ich sehe die Zukunft klar im Cargo. Da hat Hannover, vor allem weil es auch nachts angeflogen werden kann und zwei lange Landebahnen hat, große Pluspunkte im Wettbewerb.“ Als Passagier-Flughafen gehört er zumindest im Sommer 2018 nicht zu den Top-10, die zentralen Flughäfen im Urlaubs-Geschäft sind Düsseldorf, Berlin, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart.
Die Autorin, in diesem Sommer selbst zweimal von erheblichen Flugverspätungen betroffen, hat eine gute Nachricht mitgenommen, die es wert ist, weitergesagt zu werden: An der Sicherheit für Fluggäste wurden ganz offensichtlich keine Abstriche gemacht: Die Flugzeuge wurden vor dem Wechsel zu einem neuen Eigentümer im Rahmen einer eingehenden Ankaufsuntersuchung (Pre-Purchase Inspection, PPI) in einem autorisierten Service-Center sorgfältig geprüft – auch wenn sie damit für die Reisenden nicht zur Verfügung standen. Das nehmen wir aber wohl alle gern in Kauf, denn nichts ist schöner, als gesund und munter am Ziel anzukommen.
Bericht: Katharina Kümpel
Fotos: Torsten Hamacher