Ein Thema, das die Menschen erschüttert, sind die Missbrauchsfälle in zahlreichen deutschen Bistümern der katholischen Kirche. Aber was sind die Gründe für die offenbar zögerliche Aufklärung? Werden mutmaßliche Täter geschützt?
Licht in das Dunkel dieser Fragen hat die Radioredakteurin Dr. Christiane Florin beim Deutschlandfunk („Tag für Tag“) bei einer Veranstaltung im Presse Club Hannover gebracht. Als ausgewiesene und sehr engagierte Religionsexpertin berichtete sie über ihre Recherchen im Lager der Opfer sowie zu deren Tätern. Die Clubmitglieder hatten Gelegenheit für zahlreiche Fragen.
Für die Radioredakteurin gilt es als belegt, dass namentlich bekannte Amtsträger der katholischen Kirche eine persönliche Schuld wie auch institutionelle Mitschuld an den Missbrauchsfällen tragen. Die Straftaten reichen zurück bis in die Fünfzigerjahre. In einer wissenschaftlichen Untersuchung, der sogenannten MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche, wurden Straftaten in der Zeit von 1946 bis 2014 untersucht. Florin kritisiert an dieser Studie, dass sie nicht von neutraler Stelle beauftragt und mit Geldern der katholischen Kirche, den Diözesen Deutschlands, bezahlt wurde.
Die Referentin setzt sich indes höchst engagiert für eine unabhängige Aufarbeitung ein. Es müsse endlich geklärt werden, was wirklich passiert sei. Stattdessen werde bagatellisiert. Es werde von Seiten der Kirche nur zugegeben, was nicht mehr zu leugnen sei.
Florin sprach von systemischen Bedingungsfaktoren: Zölibat, Abwesenheit von Frauen und auch davon, dass Kleriker sich gegenseitig schützten. Sie schilderte Religionen als ambivalent. Auf der einen Seite Zusammenhalt und Frieden, auf der anderen Machtmissbrauch und Absolutheitsanspruch.
Der Rechtsstaat verhalte sich passiv gegenüber der Dominanz der Bischöfe, die gestützt auf Kirchenrecht Herr des Verfahrens seien. Auch den Laien in den Bistümern bescheinigte sie eine überwiegend passive Rolle.
Die ambitionierten Ausführungen der Radioredakteurin Florin und der lebhafte Austausch mit dem Publikum zeigten einmal mehr, dass für Themenabende mit Vortrags- und Diskussionsteil viel Raum im Presse Club besteht.
Bericht: Holger Bahl
Fotos: Karin Lahmann