Schöner hätte das Ambiente kaum sein können: Bei sommerlichen Temperaturen fanden sich die Gäste des Texter-Stammtischs auf der Dachterrasse der Sportsbar U-Turn ein. Im World-Café-Format, d.h. in bunt gemischten Gruppen, zu denen sich im Wechsel die fünf Referenten des Abends gesellten, diskutierten sie über den "perfekten" Titel.
Jürgen Kuri, stellvertretender Chefredakteur bei heise online und dem c´t Magazin, muss sich täglich auf die Suche nach dem perfekten Titel machen – bei mehr als 50 News und Hintergrundartikeln immer wieder eine Herausforderung. „Es gibt die perfekte Überschrift – wir haben sie aber noch nicht gefunden“. Besonders im Online-Kontext sei es wichtig, dass der Kern des Artikels sich in der Überschrift wiederfindet, zum einen hinsichtlich der Suchmaschinenoptimierung, zum anderen auch der Erwartungshaltung der Leserschaft entsprechend. „Wenn ich die Leserorientierung verliere, mache ich schlechte Überschriften.“
Für Malte Gärtner, Texter und Konzepter bei der Kommunikationsagentur neuwaerts, sind Brainstorming und permanent neue Sichtweisen die Basis für Ideenfindung. Er empfindet klare Unterschiede zwischen Print- und Online-Formulierung: „Derselbe Sprech funktioniert nicht bei beiden Medien.“
Einen klaren Unterschied bei den Print- und Online-Lesegewohnheiten sieht auch Heiko Randermann, Lokalchef der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: Er vermisst bei Online „das Schlendern durch Themen“, wie es beim Blättern einer Zeitung gang und gäbe sei. Er räumte ein, dass die Printmedien im Lernprozess herausfinden müssten, wie die Botschaften nicht nur in Print, sondern auch online „auf den Punkt kommen “. Ein Text müsse halten, was der Titel verspricht, sonst verliere der Leser das Vertrauen. „Wenn der Leser nicht sofort begreift, worum es geht, ist er raus – oder er steigt gar nicht erst ein.“
Tom Meyer, Moderator der Moin-Show bei Radio Antenne Niedersachsen, bewertet Texte mehr nach ihrer Eignung fürs Hören: Stimmig sei es, wenn erreicht wird, dass die Zuhörer die „Ohren spitzen“. Ein perfekter Einstieg zeichne sich dadurch aus, dass er „Aufmerksamkeit erzeugt, unterhaltsam ist und eine Nuance Überraschung liefert“.
Für Sebastian Garn, Creative Director der B&B Markenagentur, ist Neugier das A und O. Für ihn gehe es mehr „um Wahrnehmung denn um Wahrheit“, und da sei das Bild wichtiger als der Text. In der Diskussion um Social Media warnt er vor dem „Hashtag-Gewitter“, das ebenso wie extrem reißerische Headlines die Glaubwürdigkeit einer Marke eher infrage stellt.
Die Runde diskutierte lebhaft, ob online wirklich nur noch die kurzen Texte eine Chance haben, und war sich klar einig, dass die Länge eines Textes nicht grundsätzlich ein Problem sei, sondern es einfach darauf ankäme, dass der Text „die Leser packen muss“.
Übrigens, falls sich jemand wundert, dass die Referentenrunde mit fünf Männern besetzt war: Es waren auch mehrere Expertinnen angefragt worden.
Bericht: Gil Koebberling
Fotos: Torsten Hamacher