Was ist ein Weltkulturerbe? Welche gibt es in Niedersachsen? Und was genau macht die UNESCO? Das waren einige der Fragen, die uns Walter Hirche am 12.6. beantwortet hat. Der ehemalige niedersächsische Wirtschaftsminister ist seit 2002 Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission. Im Presse Club gab er uns einen Einblick in die Arbeit der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Walter Hirche braucht man in Niedersachsen eigentlich nicht vorzustellen. Die Liste seiner politischen Ämter ist beeindruckend: Er war – unter anderem – Landtags- und Bundestagsabgeordneter, Fraktions- und Landesvorsitzender der niedersächsischen FDP (deren Ehrenvorsitzender er heute ist), parlamentarischer Staatssekretär bei Angela Merkel (als sie noch Umweltministerin war) und Wirtschaftsminister in zwei Bundesländern. Seine Ämter als niedersächsischer Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident hat er 2009 aufgegeben, aber aktiv ist er nach wie vor – beispielsweise als Präsident der Deutschen UNESCO-Kommission, der er bereits seit 2002 vorsteht.
Die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization hat es sich zur Aufgabe gemacht, "durch Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Völkern in Bildung, Wissenschaft und Kultur zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit beizutragen". Neben diesen drei klassischen Feldern der UNESCO widmet sich die deutsche Kommission, so verriet uns unser Gast Walter Hirche, auch dem Feld der Kommunikation und Information. Unter diesem Stichwort will sie u.a. die Medienkompetenz und die Chancengleichheit beim Zugang zu Wissen, Bildung und Information fördern.
Dass die UNESCO damit thematisch breiter aufgestellt ist als die anderen Sonderorganisationen der UNO, ist laut Hirche manchmal auch ein Nachteil, da ein „USP“ nicht so einfach erkennbar ist. Während jeder die UNICEF mit Kindern assoziiert und die FAO mit Ernährung, ist bei der UNESCO nicht allgemein bekannt, wofür sie steht. Hier wie generell bei den Aufgaben und Zielen der Organisation setzt Hirche „auf das Wasser, das den Stein rundet“.
Nach der Einführung in die Arbeit seiner Organisation wandte unser Gast sich dem Hauptthema des Abends zu, nämlich unserer Frage, was denn nun ein Weltkulturerbe ist. Dabei erfuhren wir zunächst, dass unter dem Oberbegriff Welterbe zwei Kategorien zusammengefasst werden: Erstens das Kulturerbe oder das gebaute Erbe, hierzu gehören in Niedersachsen Sankt Michaelis und der Dom in Hildesheim, die Altstadt von Goslar und seit 2011 auch das Fagus-Werk in Alfeld. Zweitens das Naturerbe, niedersächsisches Beispiel: das Wattenmeer.
In Deutschland gibt es insgesamt 36 Welterbestätten. Auf der weltweiten Welterbeliste stehen derzeit 936 Stätten – davon 725 Kulturdenkmäler, 183 Naturdenkmäler und 28 gemischte Stätten. Neben dem Welterbe gibt es übrigens das „Immaterielle Kulturerbe“ und das „Memory of the World“, das zum Beispiel Sitten und Gebräuche in Afrika, Beethovens 9. Symphonie oder die Peking-Oper schützt. Aber das führt hier zu weit. Ausführliche Informationen dazu – und zu allen anderen Themen rund um die UNESCO – findet man auf der Homepage der Deutschen UNESCO-Kommission.
Walter Hirche erläuterte uns auch die Kriterien für die Anerkennung als Welterbe: außergewöhnlicher universeller Wert, Authentizität (historische Echtheit) und Integrität (Unversehrtheit), Management-Plan für den Schutz und die Erhaltung. Anschaulich beschrieb er die komplexen Prozesse, die mit der Aufstellung von Kandidaten und der Antragstellung verbunden sind. Wegen der Kulturhoheit der Länder ist die Komplexität dieser Prozesse in Deutschland besonders hoch.
Und natürlich plauderte unser Gast auch ein wenig aus dem Nähkästchen – über Bedenkenträger, verpasste Chancen zum Dialog, mögliche künftige Kandidaten und so weiter. Einzelheiten werden nicht verraten, aber über die Arbeit der UNESCO kann man sich jederzeit informieren: www.unesco.de
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Walter Hirche für seinen interessanten Vortrag und für das geduldige Beantworten unserer Fragen.
Bericht: Susanne Melchior