Ein Kunstherz ist keine Utopie

Redner mit Modell vom Herzen

Herztransplantationen am Menschen, die Übertragung eines Herzens von einem Organspender zu einem Empfänger, sind seit Jahrzehnten hinlänglich bekannt. Der Nutzen dieses tiefgreifenden und mit erheblichen Risiken behafteten Eingriffs ist statistisch belegt. Von 100 Empfängern leben nach 20 Jahren noch 24. Ohne Transplantation würden von 100 Menschen mit unheilbaren Herzerkrankungen nach 2 Jahren nur noch 10 leben. Jedoch stagnieren die Zahl der Herztransplantationen und generell die Bereitschaft zu einer Organspende in Deutschland. Das hat politische Gründe und es hat auch mit dem Vertrauensverlust zu tun, der durch unlängst bekanntgewordene Skandale entstanden ist.

Darüber und über mögliche Alternativen referierte der Privatdozent und Bereichsleiter für Herzunterstützungssysteme und Herztransplantationen an der MHH Dr. Jan Schmitto am 10. Mai 2016 im Presse Club Hannover.

Dr. Schmittos Traum wäre es, im Reagenzglas ein Herz zu züchten, welches als Ersatz eines geschädigten Herzens dienen könnte. Der Erfolg dieser Entwicklung ist aus seiner Sicht zeitlich nicht einzuschätzen. Auch die Hoffnung, Organe von Tieren nutzen zu können (Xenotransplantation), hat sich nicht erfüllt. Die Abstoßreaktionen des menschlichen Körpers und die Übertragung von Viren und somit neuen Erkrankungen sind kaum beherrschbar. Hinzu kommen ethische Bedenken.

Was bleibt, ist eine mechanische Lösung, ein sogenanntes künstliches Herz. Das ist verfügbar, jederzeit zu operieren und wirft keine ethischen und moralischen Bedenken auf. Diese Entwicklung ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass bisher etwa 1000 Transplantationen in Deutschland durchgeführt werden konnten. Ein erheblicher Anteil davon in der MHH.

Der Durchbruch dieser Technik gelang in Amerika mit der Miniaturisierung der Kerosinpumpe aus einem Space-Shuttle. Durch die kontinuierlich fördernde Zentrifugalpumpe wird nun statt Kerosin Blut gefördert. Dieses Hochpräzisionsbauteil in der Preiskategorie einer S-Klasse wurde inzwischen weiter miniaturisiert (HeartMate III) und ermöglicht so der Chirurgie bei einer Operation einen wesentlich reduzierteren Eingriff (minimal-invasive Technik). Mit dieser Operationsmethode ist die MHH weltweit führend. Das geschädigte Herz verbleibt im Körper und wird durch die Pumpe unterstützt.

Aber auch ein künstliches Herz ist nicht gänzlich frei von Problemen. Durch die Scherkräfte im Kunstherzen kann es zu Thrombenbildung im Blut kommen. Um das Risiko von Schlaganfällen und Embolien zu verringern, ist während der Unterstützungszeit zwingend eine Antikoagulation (Blutgerinnungshemmung) notwendig. Die Akkuleistung eines Herzunterstützungssystems ist begrenzt, nach dem Ende der Akkulaufzeit müssen die Batterien gewechselt werden. Durch die künstliche Austrittspforte für die Stromversorgung im Bauchraum können Bakterien in den Körper eintreten. Dies kann zu Infektionen führen. Um das zu vermeiden, werden noch Methoden entwickelt, um die Energie und die Steuersignale drahtlos mit Hilfe der elektromagnetischen Induktion durch die Haut hindurch zu übertragen. Die Chancen einer Lebenszeitverlängerung mit einem Herzunterstützungssystem sind erheblich gestiegen, wobei ein Restrisiko immer bleiben wird.

Nach Dr. Schmittos Auffassung ist die Entwicklung noch lange nicht am Ende. Es könnte auch sein, dass die Pumpen wieder größer werden, weil weitere Features hinzukommen. Er vergleicht die Entwicklung mit der eines Handys, das auch zunächst sehr groß war, immer kleiner und dann durch Weiterentwicklung und Verwendung neuer technischer Details wieder größer geworden ist.

Die nicht unerheblichen Kosten für eine solche Operation sind vergleichbar mit den Kosten einer langwierigen chemotherapeutischen Behandlung und werden in der Regel von den Krankenkassen übernommen. Weitere Informationen gibt es unter www.pulslos-leben.de, einem Verein mit dem Ziel, über Kunstherzen zu informieren.

Bericht: Manfred Spengler
Fotos: Torsten Hamacher