Das Ende der Arbeit

Fotograf Manfred Zimmermann

Mensch und Arbeit – so lautet der Titel der Fotoausstellung, die noch bis zur Sommerpause im Presse Club Hannover zu sehen ist. Am 7. Juni 2022 stand die Ausstellung noch einmal im Fokus. An diesem Abend war der Mann hinter den Bildern, Fotograf Manfred Zimmermann, der Einladung in den Club gefolgt, um den Gästen einen Blick hinter die Bilder zu ermöglichen. Und der hatte es in sich:

Denn das Thema, das Manfred Zimmermann seit inzwischen mehr als 50 Jahren dokumentiert, ist wahrlich ein gesamtgesellschaftliches Problem, das sich bisher weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit vollzieht: Bis 2050 braucht die Industrie aktuellen Studien zufolge gerade mal noch fünf Prozent der Mitarbeiter von heute, um die gleiche Menge Waren zu produzieren.

Was wird aus den Menschen, fragt sich Zimmermann. Der Fotograf hat dabei vor allem die Zufriedenheit und die Würde im Fokus, die die Arbeit den Menschen verleiht. „Denken Sie mal an einen Besuch in der Kneipe und an den Unterschied, den es macht, wenn man auf die Frage, was du denn beruflich machst, entgegnet ,Ich bin bei MAN und baue LKW‘ oder ,Ich beziehe Sozialhilfe‘“, veranschaulicht Zimmermann. Und die Industrie ist da kein Einzelfall. Sei es die fortschreitende Digitalisierung des Bankensektors oder die Lokführer, die jetzt händeringend gesucht würden, aber in ein paar Jahren, wenn Züge zunehmend autonom fahren, ihre Arbeit verlieren.

„Wir brauchen ein Umdenken“, stellt Manfred Zimmermann klar. Denn Arbeit gibt es genug, sagt der Fotograf. So sei es doch beispielsweise wenig zielführend, dass Schulkassen immer größer und der Unterrichtsausfall immer länger werden. Ein anderes Beispiel sei der gesamte Pflegesektor, im dem der Fachkräftemangel schon jetzt gravierende Folgen habe.

Natürlich stelle sich an dieser Stelle sofort die Frage, wie das bezahlt werden soll. Doch auch darüber hat Zimmermann nachgedacht: „Auch wenn es unpopulär ist: Wir brauchen eine Umverteilung. Wir müssen lernen zu teilen.“ Möglichkeiten dafür gibt es genug, sagt Zimmermann, denn gerade in der Industrie wachsen die Gewinnmargen durch den immer geringeren Personaleinsatz noch mal erheblich. Allerdings gibt er sich auch keiner Illusion hin – und stellt im gleichem Atemzug fest, dass die „Bereitschaft, das Geld zu teilen, sehr gering ist“.

Trotzdem müsse gehandelt werden. Sonst werde „die wachsende Unzufriedenheit, die in den allermeisten Fällen mit dem Verlust des eigenen Arbeitsplatzes einhergeht, die Parteien und Organisationen stärken, die schon jetzt kritisch beobachtet“ werden müssten, alarmiert Zimmermann in seinen Ausführungen.

Dass das Thema keineswegs „nur“ ein Problem ist, das hierzulande zu beobachten ist, macht Zimmermann an seinen Bildern deutlich. Sie zeigen Menschen an ihrem Arbeitsplatz – Arbeitsplätzen, die es heute nicht mehr gibt. „Als Industrie-Fotograf war ich weltweit in den verschiedensten Betrieben – vom Schmelzwerk, über Prägeanstalten, Kabelhersteller, Automobilbauer bis hin zu Kernkraftwerken und Bergbauunternehmen. Als freie Arbeit habe ich schon 1970 angefangen, in den Fabriken Menschen zu fotografieren. Und das überall auf der Welt.“ Die Bilder, die dabei entstanden sind, sind nicht gestellt. Die Fotografierten haben sich selbst positioniert. Blitzlicht oder Kunstlichtanlagen nutzt Zimmermann bei diesen Bildern nicht. Entsprechend authentisch sind die Aufnahmen von Lackierern, Mechanikern, Bergwerkskumpeln, Fahrzeugbauern und Gießern. Was an ihnen auffällt: Egal ob in Nigeria, Asien, Moskau, Alaska und USA oder Deutschland, überall schwingt in den Fotografien der gleiche Stolz auf das eigene Tun mit. Verblüffend auch: Die Ruhe, die die Aufnahmen vermitteln. Und das, obgleich sie natürlich alle praktisch im laufenden Industriebetrieb entstanden sind.

Es sind Momentaufnahmen, die zusammengenommen ein wahrscheinlich weltweit einzigartiges Dokument der Zeitgeschichte darstellen und mit ganz leisen Tönen ein Problem anprangern, über das dringend mehr gesprochen werden muss. Da waren sich die Teilnehmer dieses beeindruckenden Vortrags im Presse Club Hannover einig.  

Ausgewählte Bilder aus der Ausstellung finden Sie hier auf der Homepage von Manfred Zimmermann.

 

Bericht: Torsten Hamacher
Fotos: Marita Heydenreich, Thomas Borcholte, Torsten Hamacher